Börse 2023: Die Zuversicht überwiegt
Bereits schon jetzt ist klar: Das Jahr 2022 geht als eines der größten Börsen-Krisenjahre in die Geschichte ein. Inflation, Energieprobleme und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Nicht von ungefähr gerieten daher auch die Aktienmärkte unter Druck. Allein die Marktkapitalisierung des S&P500 nahm seit Dezember 2021 um über 10 Billionen Dollar ab. Zusammengefasst lassen wir ein durchwachsenes Jahr zurück – doch die Aussichten könnten sich womöglich bald bessern.
Aktuelle Markteinschätzung von Michael B. Bußhaus, Gründer und Geschäftsführer von justTRADE
Jetzt geht es erstmal lange Zeit nach oben – eine Hoffnung, die wahrscheinlich viele Anleger hatten, als sich die Börsen nach der Corona-Krise im Jahr 2020 kräftig erholten. Doch die Euphorie war schnell verflogen, spätestens im Frühling 2022 musste auch der letzte Optimist umdenken. Grund: Summa summarum trafen vier übergeordnete Dynamiken zusammen, die die Finanzmärkte in äußerst unruhiges Fahrwasser führten: Inflation, Zinsen, Konjunktur und der Ukraine-Konflikt.
Kein gutes Aktienjahr – bisher
Ein einzelnes dieser Probleme hätten die Märkte womöglich weggesteckt, zusammen aber führten diese Entwicklungen dazu, dass die Aktienmärkte in schwere Turbulenzen gerieten. Notierte etwa der DAX Anfang Januar 2022 noch bei rund 16.000 Punkten, liegt der deutsche Leitindex heute, Ende November, bei etwa 14.500 Zählern. Und der breit gestreute US-Index S&P 500 liegt rund 800 Punkte unter seinem Jahresanfangsstand.
Inflation und Zins als Protagonisten
Vor allem die Inflationsraten nahmen historische Ausmaße an und setzen die Märkte massiv unter Druck. Während beispielsweise in Großbritannien die Preissteigerung ein so hohes Niveau aufwies wie seit 45 Jahren nicht mehr, erreichte die Inflation in Deutschland 2022 einen so hohen Stand wie zuletzt 1951. Um das Schlimmste zu verhindern und die Preise wieder einzufangen, hoben die Notenbanken weltweit die Zinsen – zwar spät, aber nicht zu spät – kräftig an. So schraubte die US-Notenbank Fed den Leitzins 2022 in sechs Schritten von 0,25-0,50 Prozent auf aktuell 3,75-4,0 Prozent nach oben. Und die EZB erhöhte den europäischen Schlüsselzins von 0 auf aktuell 2,0 Prozent.
Während der Aktienmarkt im Fahrwasser des Zinserhöhungszyklus Federn lassen musste, hat der Rentenmarkt nun wieder an Attraktivität gewonnen, wenngleich Anleger unterm Strich – also nach Abzug der Inflation – mit Anleihen weiterhin ein Minusgeschäft machen. Auch Gold, dass normalerweise vor allem in Krisenzeiten seine Stärken ausspielen kann, machte der Zinsanstieg und der starke Dollar zu schaffen. Schließlich bietet das Edelmetall weder eine Dividende noch Zinsen. Anleger, die Sicherheit suchten, steuerten daher vermehrt den vermeintlich sicheren Rentenmarkt an.
Doch wie geht es im Jahr 2023 weiter? Sicher ist derzeit nur, dass nichts sicher ist. Jeder Blick nach vorne gleicht, heute mehr als je zuvor, einem Blick in die Kristallkugel. Auch wenn bestimmte Entwicklungen für eine Entspannung sprechen, ein einzelnes Ereignis, etwa eine Eskalation der Lage in der Ukraine, kann im Nu wieder alles über den Haufen schmeißen. Dennoch: Allzu pessimistisch sollten Anleger nicht nach vorne schauen.
Die Inflation sinkt – und die Stimmung steigt
Mut macht vor allem, dass die Inflation – sowohl diesseits als auch jenseits des Atlantiks – ihren Höhepunkt überschritten haben könnte. So stieg die Inflation in den USA im Oktober „nur“ noch um 7,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Das ist zwar immer noch ein erschreckend hohes Niveau, doch hatten Analysten vorab mit einem Anstieg um 8,0 Prozent gerechnet. Hinzu kommt, dass dies bereits der vierte Rückgang in Folge war. Die US-Notenbank Fed denkt daher bereits laut darüber nach, den Leitzins künftig nicht mehr allzu kräftig – bei den letzten vier Zinsschritten wurde der Leitzins jeweils um 75 Basispunkte erhöht – anzuheben. In den Ohren von Unternehmen und Anlegern klingt das wie Musik.
Es gibt also einen Grund, weshalb sich die Aktienmärkte zuletzt wieder vergleichsweise stabil präsentiert haben, zumal auch hierzulande die Hoffnung auf eine Inflations-Trendwende zuletzt gestiegen ist. Grund: Die Erzeugerpreise sind im Oktober gegenüber dem Vormonat um 4,2 Prozent gesunken; das war der erste Rückgang seit Mai 2020. Erfreulich ist zudem, dass auch die Unternehmen wieder zuversichtlicher in die Zukunft blicken. Wohl vor allem aufgrund der aktuell vollen Gasspeicher und der Hilfen der Regierung fiel der richtungsweisende Ifo-Index im November deutlich besser aus, als vorab erwartet worden war. Statt auf 85 Punkte legte das Stimmungsbarometer auf 86,3 Zähler zu.
Vorsichtig optimistisch
Sollte der Trend hin zu positiveren Nachrichten anhalten, könnte auch das Börsenjahr 2023 freundlicher verlaufen als das aktuelle Jahr. Vor allem eine nachhaltig niedrigere Inflation könnte den Aktien- und Rohstoffmärkten Rückenwind verleihen. Dies zeigen auch die Erfahrungen aus der Vergangenheit, die zwar nicht eins zu eins in die Zukunft übertragen werden dürfen, auf der anderen Seite aber zeigen, dass die Märkte noch Luft nach oben haben könnten. Doch Vorsicht: Eine Schwalbe – um es mal salopp zu formulieren – macht noch keinen Sommer. Die Gemengelage ist nach wie vor herausfordernd – und wie sie sich künftig entwickeln wird, ist naturgemäß ungewiss.
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